Wenn du darüber nachdenkst, mehrere Ideen und Projekte im Rahmen deiner Selbstständigkeit anzugehen, dann stehst du früher oder später auch vor diesen oder ähnlichen Fragen: 

Soll ich mich für eine Sache entscheiden oder mehrere Projekte gleichzeitig angehen? Wie kann ich mich so positionieren, dass ich einerseits klar nach außen auftreten und kommunizieren kann, wer ich bin und was ich mache, ohne meine Vielseitigkeit zu sehr einzuschränken? Gar nicht so einfach! Und genau um dieses Positionierungs-Dilemma und darum, wie du es auflösen kannst, geht es in diesem Blogartikel.

Langeweile oder Bauchladen?

Du möchtest in die Selbstständigkeit starten und bist voller Elan und Begeisterung – oder bist schon mittendrin in der Umsetzung. Aber eine strategische Frage hält dich immer wieder auf:

Wie sollst du dich mit deinen unterschiedlichen Themen und Projekten positionieren? So sicher du weißt, dass dir EINE Sache viel zu wenig für dein Business ist, so sicher weißt du auch: auf einen Bauchladen hast du keine Lust! 

Denn natürlich ist dir klar, dass die Menschen verstehen müssen, was du machst. Damit sie dann entscheiden können, ob sie bei dir ein Produkt oder eine Dienstleistung kaufen. Und natürlich geht das am einfachsten, wenn es eben nur eine Sache gibt, die zur Auswahl steht.

Das Dilemma selbstständiger Multitalente

Du stehst vor einem Dilemma, das sehr typisch ist für selbstständige Multitalente oder Menschen mit 1.000 Ideen, die den Schritt in die Selbstständigkeit planen. Denn ganz offensichtlich hast du nur zwei Möglichkeiten:

Die Entscheidungsfalle

Entweder entscheidest du dich für eine Sache. Dann drohen Langeweile, Prokrastination und fehlender Fokus. Die Gefahr, dass du schon nach kurzer Zeit das Interesse verlierst und alles über den Haufen wirfst, ist relativ groß – und auch die Konsequenzen:

  1. Aus wirtschaftlicher Sicht solltest du eigentlich ‘dranbleiben’. Denn du hast ja schon viel Zeit und Energie und womöglich auch finanzielle Mittel investiert. Das kann dazu führen, dass du dich noch eine ganze Weile mit viel Disziplin an Projekten festhältst, deren Verfallsdatum für dich eigentlich schon längst überschritten ist. Fühlt sich das gut an? Auf gar keinen Fall!
  2. Und auch auf der persönlichen Ebene kann dein Selbstvertrauen massiv leiden, unter diesem Kreislauf aus ständigem neu anfangen, euphorisch und kopfüber in eine Sache hineinstürzen und dann erkennen, dass ES doch wieder nicht das Richtige war. Wenn du das ein paar Mal versucht hast, verlierst du irgendwann womöglich komplett den Glauben daran, dass du es schaffen kannst, DAS EINE zu finden. Und im schlimmsten Fall versuchst du es erst gar nicht mehr und gibst resigniert auf.

Die Alles-und-Nichts-Falle

Oder du versuchst es anders und füllst deinen Kopf, deinen Kalender und dein Leben bis zum Rand mit so vielen Projekten wie möglich. Vielleicht fühlt es sich zu Beginn sogar gut an, wirklich frei zwischen den unterschiedlichsten Projekten hin und her zu springen. Aber irgendwann können auch bei dieser Variante negative Effekte spürbar werden:

  1. Überall nur noch Papierstapel und offene Tabs, dreiundzwölfzig angefangene Notizbücher, 54 offene Tabs (die am Desktop mal noch gar nicht eingerechnet) – und ehe du dich versiehst, hast du dich komplett verzettelt, weißt gar nicht mehr, wie du Prioritäten setzen und deinen Fokus halten sollst – bis dir irgendwann (vielleicht noch rechtzeitig, vielleicht aber auch nicht) klar wird, dass du deine Grenzen komplett aus den Augen verloren hast.
  2. Und auch wirtschaftlich birgt dieses Vorgehen ein Risiko: Denn die Chancen sind groß, dass niemand wirklich versteht, was du da machst und anbietest. Vielleicht kannst du es selbst gar nicht richtig greifen. Und folglich gelingt es dir auch nicht, die richtigen Menschen  gezielt anzusprechen und deine Leistungen regelmäßig und planbar zu verkaufen. Aufträge werden so zur Glückssache. Und du weißt nie, ob es nächsten Monat reichen wird. Du versuchst alles, und hast am Ende vielleicht nichts.

 

Positionierung für selbstständige Multitalente

Es scheint wie ein unlösbares Paradoxon:

Entweder entscheidest du dich für eine ganz enge Nische, um nach außen spezifisch sichtbar zu werden und wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Und riskierst im Gegenzug Langeweile und die Gefahr, dass du relativ schnell die Lust verlierst – und damit auch der wirtschaftliche Erfolg wieder dahin ist, vielleicht sogar, bevor es wirklich richtig losging.

Oder du gehst mit dem Flow deiner 1.000 Ideen, ohne deine Kreativität einzuschränken. Aber du gehst damit auch das Risiko ein, dass du dann gar nicht erst die passenden Kund:innen findest und alles ein bisschen machst, aber nichts so richtig.

Um dieses Paradoxon aufzulösen, hilft es also wenig, sich für das eine oder das andere Übel zu entscheiden. Wir müssen uns viel eher noch einmal anschauen, was Positionierung eigentlich bedeutet.

Positionierung ist ein Kommunikationsprozess

Wenn wir uns positionieren, tun wir das nicht im stillen Kämmerlein hinter verschlossenen Türen. Positionierung wird nicht auf dem Papier ausgedacht und dann, wenn sie endlich fertig ist, stolz der Außenwelt präsentiert. Und ja, ich weiß, dass das oft suggeriert wird mit Sätzen wie “Wir entwickeln deine ganz individuelle Positionierung.”

Aber Positionierung ist ein kommunikativer Prozess. Sie entsteht, indem wir unsere Identität zeigen und andere sich von uns ein Bild machen (daher kommt auch der Begriff ‘Image’). Unser Ziel im Positionierungsprozess ist es, zwischen unserer Identität und dem Image, das andere von uns haben, eine größtmögliche Überschneidung zu erzielen.

Wenn es uns gelingt, dass Identität und Image maximal deckungsgleich sind, dann ‚funktioniert‘ unsere Positionierung (ganz unabhängig von den Inhalten, mit denen wir uns da positionieren).

Was beeinflusst Positionierung?

Positionierung entsteht also nicht in einem Vakuum, sondern im Zusammenspiel unterschiedlicher Faktoren:

  • Unsere Identität hängt von unserer Persönlichkeit, unseren eigenen sozialen Prägungen, unseren Erfahrungen und Zielen ab.
  • Das Image wiederum ist abhängig von der Persönlichkeit, den sozialen Prägungen, Erfahrungen und Zielen der Menschen, denen wir unsere Identität vermitteln möchten.

Mißverständnisse vorprogrammiert!:-)

Wie kann Positionierung funktionieren?

Positionierung funktioniert im Grunde genommen für Multitalente nicht anders, als für Menschen, die von Anfang an nur in einer Nische unterwegs sind und das auch gar nicht anders haben möchten (ja, die gibt es, ich kann es auch nicht fassen!;-))

Sie erfolgt in einem zirkulären Prozess in vier Schritten.

  1. Klarheit über die eigene Identität, d.h. über Bedürfnisse, Werte und Ziele
  2. Verständnis über die Zielgruppe, d.h. über deren Bedürfnisse, Werte und Ziele
  3. Kommunikation bewusst als Dialog gestalten und steuern.
  4. Image analysieren, neue Informationen aufnehmen und den Prozess  ggf. anpassen.

Die besonderen Herausforderung für kreative Multitalente ergeben sich an verschiedenen Stellschrauben im Prozess, die ich hier noch einmal näher beleuchten will:

Die eigene Identität

Gerade Menschen, die schnell komplexe Themen erfassen, leidenschaftlich gerne Neues lernen und über ein hohes Maß an Begeisterungsfähigkeit verfügen (aka du und ich und all die anderen großartigen Multitalente), laufen Gefahr, Ideen anderer unreflektiert zu übernehmen. Immer wieder höre ich dann Sätze wie “Ich weiß eigentlich gar nicht mehr, was ich selbst will, und wovon ich nur denke, dass ich es wollen sollte.” 

Es ist also die allererste und bleibt die wichtigste Aufgabe für Multitalente, immer und immer wieder Ideen zu hinterfragen und daraufhin zu prüfen, ob sie wirklich den eigenen Bedürfnissen, Werten und Zielen entsprechen. Diese Bedürfnisse, Werte und Ziele sind komplett unabhängig davon, WAS wir genau machen – sie sind die Antwort auf die Frage, WIE wir leben und arbeiten wollen – und alle unsere Ideen müssen sich an dieser Antwort messen lassen.

Unsere Zielgruppe, ihre Bedürfnisse und ihre Sprache

Oh, wie oft sehe ich, dass Menschen über Wochen, Monate oder sogar Jahre großartige Ideen ausarbeiten, die dann scheitern. Warum? Weil sie es verpassen, mit anderen Menschen über ihre Ideen und die einzelnen Schritte zielgerichtet in Austausch zu gehen und ihre Ideen sozusagen ‘an der Realität vorbei’ entwickeln.

Früh im Entwicklungsprozess in Austausch mit den Menschen zu gehen, für die wir diese Ideen tatsächlich umsetzen möchten, bietet dabei mindestens drei großartige Vorteile:

  1. Wir gewinnen von Anfang an wertvolle Erkenntnisse, die wir in die Angebotsentwicklung einfließen lassen können.
  2. Wir lernen die Sprache der potenziellen Kund:innen und können sie gezielt in unserer Kommunikation einsetzen.
  3. Oft sind die ersten Menschen, mit denen wir ganz entspannt Kontakt aufnehmen, dann tatsächlich unsere ersten Kund:innen oder empfehlen uns direkt an diese weiter. Das macht die ersten Verkäufe stressfrei und nimmt Druck raus.

Positionierung ist im Fluss

Positionierung ist kein statisches Konstrukt, das einmal entwickelt auf Jahre unverändert bleibt. Das gilt insbesondere für Multitalente, die immer wieder neue Dinge aufnehmen und umsetzen.

Daher ist es sinnvoll, die Auseinandersetzung mit der eigenen Positionierung als kontinuierlichen Prozess zu begreifen und zu akzeptieren, dass wir damit niemals ‘fertig’ sein werden. Was sich im ersten Moment frustrierend anfühlen mag, öffnet aber auch Möglichkeiten und nimmt den Druck raus, es perfekt zu machen.

Positionierung anders gedacht

Wenn wir Positionierung als Prozess begreifen, den wir immer wieder anpassen können, dann ermöglicht uns diese Perspektive einen experimentierfreudigen, spielerischen Umgang mit diesem Thema. Nichts ist in Stein gemeißelt. Auch große, etablierte Marken und Personal Brands passen ihre Positionierung immer wieder an – manchmal mit fulminanten Rebrands, manchmal still und heimlich über Jahre hinweg.

Wenn du dich mit deiner Positionierung beschäftigst, halte dich an diese Reihenfolge:

  1. Fang immer bei dir selbst an! Wer bist du, was brauchst du und für welche Werte möchtest du stehen? Wenn du dir darüber im Klaren bist, kannst du deine Ideen neu sortieren.
  2. Du hast passende Ideen identifiziert? Dann geh’ so schnell wie möglich in den Austausch mit den Menschen, für die diese Themen relevant sein könnten. Versuche, mit kindlicher Neugier wirklich zu verstehen, wie deine Zielgruppe tickt, was sie braucht und welche Sprache sie spricht.
  3. Clarity comes through Action! Experimentiere auf Grundlage deiner Erkenntnisse, gewinne neue Erfahrungen und passe deine Positionierung immer wieder an. Du wirst schon bald merken, dass du deiner ‘idealen’ Positionierung näher kommst und immer weniger Anpassungen notwendig sind.

Du wünschst dir Unterstützung bei diesem Prozess und möchtest herausfinden, wie ich dich dabei begleiten kann? Dann beantworte mir ein paar Fragen, und wir sprechen hoffentlich schon bald über deine konkreten Ziele und darüber, wie du sie erreichen kannst.