Ach nöööö, wieder Corona? Das dachte ich beim Blick auf den Redaktionsplan meiner Blogger Community ‚The Content Society‘. Aber komm‘, ich weiß ja auch, dass mir die Auseinandersetzung im Schreiben verlässlich weiterhilft… hier isser also: mein Rückblick auf 12 CoronÄra-Momente – mit einem grande finale in Sachen Positionierung, aber vielleicht anders, als du jetzt vielleicht denkst:

Für mich hat die Pandemie an einem Freitag, den 13. begonnen. Genauer gesagt am Freitag, den 13. März 2020. Dieser Tag war der vorerst letzte Schul- und Kindergartentag unserer drei Töchter. „Bis nach den Osterferien dann…“ In der Rückschau komme ich mir reichlich naiv vor. Immerhin: mein Optimismus hatte es mir leicht gemacht, die ersten Wochen im Lockdown Nummer 1 (ja, wir nummerieren tatsächlich inzwischen, wer hätte das gedacht?) gut über die Runden zu kommen. Aber der Reihe nach.

CoronÄra-Moment Nr. 1: Der Familieneinkauf

Wir sind zu sechst, und dieser Umstand spiegelt sich natürlich auch im Inhalt unseres typischen Einkaufswagens wieder. Bis Anfang März schienen fast alle Menschen in meinem Umfeld das auch so zu interpretieren, und mehr als einmal hat in der Post-CoronÄra mein voll bepackter Wagen zu netten Gesprächen am Kassenband geführt („Na, bei Ihnen zuhause gibt es wohl eine kleine Rasselbande?“).

Das war plötzlich anders. Diese abschätzigen Blicke, teilweise verächtlichen Kommentare á la „Sie wissen aber schon, dass Sie morgen auch noch einkaufen können?“ Am liebsten hätte ich mich jedes Mal ausführlich erklärt, um nicht als asoziale Hamsterkäuferin zu gelten. Und dabei habe ich unseren Klopapierkonsum überhaupt nicht erhöht…

CoronÄra-Moment Nr. 2: Die Sache mit der frischen Luft

Ein Jahr nach Beginn der Pandemie bereue ich, dass wir kein Wander- oder Frischlufttagebuch führen. Denn wenn eine Sache sich wirklich extrem positiv verändert hat, dann diese: wir sind ständig draußen. Ständig unterwegs. Wandern, spazieren, reiten, alles auf einmal. Die Tatsache, dass alle aufwändigeren Unternehmungen nicht mehr oder nur noch sehr eingeschränkt möglich sind, hat uns gezeigt, dass die einfachen Dinge oft die besten sind. Ich wüsste wirklich gerne, wie viele Kilometer wir insgesamt zurückgelegt und wie viele Stunden wir draußen verbracht haben. Ich wollte es eigentlich längst mal überschlagen, aber…

CoronÄra-Moment Nr. 3: Wie kann man nur so müde sein?

…wir haben vier kleine Kinder, zu Beginn der Pandemie alle unter zehn, der jüngste gerade genau ein Jahr alt. Und ich weiß zwar, es soll andere Kinder geben, aber unsere neigen jetzt nicht zu übermäßigem Schlafbedarf und auch nicht zu ausgeprägtem Durchschlafverhalten. Könnte sein, dass ich weiß, von wem sie das haben… (sprach die Nachteule und flog davon).

Bisher war ich gut mit diesen kurzen, unterbrochenen Nächten klargekommen. Denn immer mal wieder, alle paar Tage, habe ich mir ein Vormittagsschläfchen mit dem Baby gegönnt. Oder ein Wochenendschläfchen bei meinen Eltern. Diese kleinen Zwischenladestationen waren auf einmal weg. Ich habe mich mit ein paar Wochen Lockdown in den Knochen das erste Mal ernsthaft gefragt, wie lange ich das noch durchhalten kann. Denn eigentlich war ich zum Aufbau meiner Selbstständigkeit auf die späten Abendstunden angewiesen. Und jetzt war die Frage immer öfter: Wie überstehe ich einfach nur diesen ganzen Tag.

Wir haben überlegt, verhandelt, und uns schließlich darauf geeinigt, dass ich 1,5 Tage ins Büro gehe, und mein Mann ins Homeoffice wechselt. Und ich so die ungestörte Arbeitszeit bekomme, die ich sonst abends nacharbeiten musste.

CoronÄra-Moment Nr. 4: Homeschooling ist super

Seitdem das Thema Schule für uns aktuell war, hat mich auch das Thema Homeschooling interessiert. Da ist diese Rebellin in mir, die einfach nicht akzeptieren will, dass alle Kinder nach ein und demselben Lehrplan unterrichtet werden, direkt in das Leistungssystem gepresst, das ich ohnehin extrem kritisch sehe, und sich der gesamte Familienalltag diesem System unterzuordnen hat.

Die Idee, von nun an einen Großteil des Lernens von Zuhause aus zu tun, war für mich also durchaus reizvoll, und ich würde auch immer noch sagen, dass wir die vielen positiven Aspekte sehr gut nutzen konnten. Einziges Problem: Es ist natürlich etwas anderes, ob ich mit meinen Kindern einen freien Lehrplan erarbeite, der sich an unseren Bedürfnissen als Familie orientiert, oder ob ich den Packen Arbeitsblätter aus der Schule mit den Kindern ‚abarbeiten‘ muss. Diese inhaltliche Fremdbestimmung war ja geblieben. Ziemlich schnell nahm ich den Druck raus und wir entschieden viel intuitiver, was wir wann tun – oder eben auch mal nicht.

CoronÄra-Moment Nr. 5: Ich bin eine Umarmerin

…und soll es doch nicht sein. Ich weiß nicht, wie oft ich in den ersten Monaten der CoronÄra irritierte Menschen umarmt habe, um dann erschreckt zurückzuweichen (falls mein Gegenüber mir nicht schon davongesprungen war). Ich kann mich einfach nicht dran gewöhnen. Inzwischen habe ich den Impuls zwar unter Kontrolle, aber ich habe ihn immer noch jedes Mal, wenn ich jemanden treffe, den ich in einem anderen Leben zu einer anderen Zeit herzlich umarmen würde. Es ist einfach in mir drin. Ich bin eine Umarmerin und hoffe sehr, dass ich diesen Teil meiner Persönlichkeit mittelfristig wieder ausleben darf und ihn nicht dauerhaft abspalten muss.

CoronÄra-Moment Nr. 6: Business auf dem Campingplatz

In den Sommerferien hatten wir spontan entschlossen, uns ein Mobile Home auf einem kleinen italienischen Campingplatz zu mieten. So spontan, dass mein Sommerkurs ‚Die FOKUS-Formel‘ schon angelaufen war und ich weder auf den Kurs noch auf den Urlaub verzichten wollte. Also packte ich nicht nur die Badesachen, sondern auch Laptop, Kamera und Mikro in die Reisetasche und tat das, was ich mir schon immer unter der Überschrift Online-Business vorgestellt hatte: Arbeiten von überall, mitten im Alltag als Familie.

Ich war begeistert, die Kids waren begeistert. Ich von meiner Flexibilität und Unabhängigkeit, die Kids von dem Extra-Eis, das es auf der Terrasse gab, wenn ich noch ein Video für das neue Modul aufnehmen wollte oder im Live Q&A saß.

CoronÄra-Moment Nr. 7: Die Welt an meinem Schreibtisch

Und nicht nur das: denn nicht nur ich konnte von überall aus arbeiten, auch meine Kund:innen konnten von überall her zu mir kommen. Und so fand ich mich plötzlich Menschen gegenüber, die in Uruguay oder London saßen, und mit denen ich an den Themen Fokus und Strategie arbeitete. Ganz ehrlich: wie geil ist das denn! Auch in meinem aktuellen Kurs sitzt eine Teilnehmerin aus Barcelona, eine andere lebt auf Kreta. DAS ist für mich unfassbar gut.

CoronÄra-Moment Nr. 8: Parkinson’sches Gesetz deluxe

Ich habe hier schon einmal über das Parkinson’sche Gesetz gebloggt – und ich habe es in seiner ganzen Pracht, sozusagen in der Luxusvariante, in meinem Leben angewandt. Was ich in den vergangenen Monaten in der mir zur Verfügung stehenden (sehr begrenzten) Zeit umgesetzt und erreicht habe, darauf bin ich (*hüstel* so leicht finde ich das, was jetzt kommt, gar nicht) echt sehr stolz. Ich bin über mich hinausgewachsen, war mutig und habe mich auch von den miesen und ganz miesen Phasen nicht beirren lassen. Für mich steht die CoronÄre definitv für mein persönliches und berufliches Wachstum. Und die Tatsache, dass ich relativ wenig Stunden für meine Selbstständigkeit zur Verfügung hatte, hat mich fokussiert und meinen Blick auf das Wesentliche extrem scharf gestellt.

CoronÄra-Moment Nr. 9: Unser Umzug

Im Oktober ging für uns ein lang herbeigesehnter Traum in Erfüllung: unser Umzug in unser neues Haus nach über zwei Jahren Bauzeit. Was hatten wir diesen Tag herbeigesehnt. Und gleichzeitig hatte ich auch Angst davor, unser kuscheliges (und inzwischen viel zu kleines) Zuhause in der Kleinstadt gegen das größere (jedes Kind ein Kinderzimmer und ich ein eigenes Büro!) zu tauschen. Die Top 3 meiner Sorgen: Werden wir uns bei so viel Platz noch so nah sein? Werden wir ‚unser Städtle‘ vermissen? Werden wir mit dem Putzen hinterherkommen?

Heute, knapp fünf (huch, echt schon?!) Monate später kann ich sagen: Nähe hat nichts mit Platz zu tun, Landleben rockt und Putzen… äh ja, sagen wir mal so: ich habe meinen Umgang damit inzwischen gefunden;-)

CoronÄra-Moment Nr. 10: Masken runter

Jeder Mensch hat seine ganz eigene Perspektive auf diese Pandemie. Wenn Ängste, Druck und Unsicherheiten zu groß werden, so mein Eindruck, sind wir alle sehr auf uns zurückgeworfen und haben weniger Kraft für wohlwollenden Austausch und Verständnis. Und obwohl es irgendwann überall hieß: ‚Masken auf‘, so hatte ich das Gefühl, dass ‚andere‘ Masken gefallen sind. Wenn unvereinbare Überzeugungen aufeinanderprallen, gibt es manchmal keine Kompromisse. Das ist beim Umgang mit der CoronÄra und all ihren Begleiterscheinungen ebenso der Fall. Und so habe ich auch ein paar Weggefährt:innen bewusst oder unbewusst aus den Augen verloren. Die Wege haben sich getrennt. Es ist gut so, wie es ist.

CoronÄra-Moment Nr. 11: Sterben in Zeiten von Corona

„Und wenn diese Zeiten schon absolut die falschen sind, um schwer krank zu sein, dann sind sie zum Sterben nur noch viel weniger die richtigen.“ – diesen Satz schrieb ich in meinem Jahresrückblick. Wir mussten als Familie Ende 2020 von einem unserer wichtigsten Menschen Abschied nehmen. Und das war extrem. Eine Covid-Infektion war nicht die Todesursache, das Virus hat aber natürlich die kompletten Abläufe rund ums Sterben stark beeinflusst. Ein Hoch auf alle Menschen, die in dieser Zeit Unmögliches möglich gemacht haben. Die uns Raum für Abschied gegeben haben. Die da waren.

CoronÄra-Moment Nr. 12: Die Zerreißprobe und meine Position

Wie lange geht das noch so weiter? Und wie geht es dann weiter? Und dann? Die Tatsache, dass es auf diese Fragen keine oder nur vorläufige Antworten gibt, hat mich mürbe gemacht. Und ich weiß, dass ich damit in bester Gesellschaft bin. Inzwischen arbeite ich mich nicht mehr an den Antworten ab. Sondern stelle andere Fragen.

Das heißt nicht, dass ich mich komplett von der Welt um mich herum verabschiedet habe. Aber es heißt, dass ich anerkenne, dass die aus meiner Sicht besten Lösungen nicht die sind, die sich im Konsens, in der Auseinandersetzung unterschiedlicher Interessen und Perspektiven ergeben. Wir leben in einer parlamentarischen Demokratie, und allein die Tatsache, dass die Stimmen derer, die das im Moment vehement anzweifeln, so deutlich hörbar sind, ist für mich der Beweis dafür, dass es so ist. (Parlamentarismus bedeutet übrigens unter Umständen auch, damit zu leben, der Opposition anzugehören, und nicht der Regierung. Oder einer Partei, die nicht im Parlament sitzt – das ist das Prinzip von Mehrheiten).

Wir alle sind gefordert, unvereinbare Widersprüche auszuhalten. Wir dürfen und müssen uns auseinandersetzen. Viel entscheidender als das Ergebnis ist für mich aber die Frage, wie diese Auseinandersetzung in Zukunft aussehen soll. Und eines weiß ich: eine gute Auseinandersetzung, in der alle gehört werden, ist mir lieber, als eine bessere Lösung aus einer Einzelperspektive heraus.

Wie sich ein Riss quer durch die Gesellschaft ziehen kann, haben die USA im Wahlkampf erlebt – auch die schmerzhaften Konsequenzen in Form von Gewalt und Ausschreitungen. Wo mit polarisierender und ideologischer Sprache gearbeitet wird (egal, aus welchem ‚Lager‘ sie mir entgegenschallt), bin ich raus. Wer nicht im Blick hat, dass andere auch anderer Meinung sein können, dürfen und sollen, hat das Prinzip der Demokratie nicht verstanden und in meinem Newsfeed keinen Platz mehr. Wer ‚Wacht endlich auf‘ schreibt, ist herzlich eingeladen, dasselbe zu tun. Die Welt ist nicht schwarz und weiß. Jeder hat seine eigenen blinden Flecken. Wer behauptet, alles verstanden und erkannt zu haben, unterschätzt entweder die Komplexität des Lebens oder überschätzt die eigene Gehirnkapazität.

Ich weiß, dass ich nichts weiß.

(Sokrates)

Und damit genug für heute.